wenn ich mit Bekannten über die Arbeit von Kinder in Rio spreche, habe ich immer das Bild vor Augen, wie die kleine Ana Clara morgens an der rostigen Regentonne steht, um sich die Zähne zu putzen. In dem Ein-Raum-Haus, das sie mit ihrer geistig behinderten Mutter bewohnt, gibt es weder Dusche noch Toilette. Es gibt überhaupt kein fließendes Wasser. Die 11-Jährige Ana Clara ist eine Kämpferin, die mich bei jedem Besuch bei ihr zu Hause wieder neu beeindruckt.
Ana Clara kümmert sich um alles, was im Leben von Mutter und Tochter ansteht. Sie kauft ein, kocht, trifft Entscheidungen – und geht nebenbei noch zur Schule. Aufgrund ihrer Behinderung und fehlender Ausbildung findet ihre Mutter Marilza keine Arbeit. Ihr einziges mögliches Einkommen ist, wie für viele in Armut lebende Familien, die staatliche Sozialhilfe „Bolsa Família“ von umgerechnet ca. 45,00 Euro im Monat. Doch genau die könnte auch ihr gestrichen werden, denn die politische Richtung ist eindeutig: Im vergangenen Jahr hat die Regierung bereits über einer halben Million Familien die staatliche Beihilfe gestrichen.
Sollte die Kürzung auch Ana Clara und ihre Mutter treffen, ständen auch sie wie hunderttausend andere vor dem Nichts. Die Angst weckt böse Erinnerungen bei Mutter und Tochter. Anfang letzten Jahres hatten wir es mit unseren Sozialarbeitern geschafft, sie in das staatliche Programm „Mein Haus, mein Leben“ zu integrieren. Kurz bevor Marilza und Ana Clara in eine eigene kleine Wohnung umziehen konnten, wurde das Programm von der Regierung auf Eis gelegt.
Wir begleiten die kleine Familie schon seit drei Jahren, unterstützen mit Grundnahrungsmitteln, Schulmaterial, Kleidung, Hygieneprodukten, Medikamenten und versuchen weiter, eine Lösung für die Wohnsituation zu finden. Renovierungs- oder Anbauarbeiten am Haus können wir nicht durchführen, da das Gelände vom Zivilschutz als nicht bebaubar erklärt wurde.
Aktuell versuchen wir auf Grundlage ihrer Arbeits-unfähigkeit eine Rente für Marilza zu beantragen, so dass die beiden in der Lage wären, sich eine kleine Wohnung anzumieten. Doch die bürokratischen Hürden, die unsere Sozialarbeiter dabei zu überwinden haben, sind hoch. Und die Anzahl der Familien, die ein ähnliches Schicksal teilen, ebenfalls. Meist verzweifelte, alleinerziehende Mütter. Mit den Mitteln, die uns derzeit zur Verfügung stehen, erreichen wir mit unserer Familienhilfe einen Bruchteil derer, die unsere Hilfe bräuchten.
Eineinhalb Jahre nach den Olympischen Spielen ist der Staat Rio de Janeiro pleite. Es muss gespart werden und das trifft – wie so häufig – vor allem die arme Bevölkerung. Denn gekürzt wird in erster Linie in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung. In-nerhalb eines Jahres ist die Arbeitslosigkeit im Staat Rio de Janeiro um 50 Prozent gestiegen. Ein herber Rückschlag. Denn zwischen 2004 und 2014 hatten fast 40 Millionen Brasilianer den Sprung aus der Armut geschafft. Nun rutschen mehr und mehr Familien wieder in die Armut ab. Das Brasilianische Institut für Geographie und Statistik gibt an, dass knapp die Hälfte aller Kinder unter 14 Jahren in einer Situation extremer Armut leben.
Mein einziger Lichtblick in dieser tristen und schier aussichtlos erscheinenden Situation ist die untrübliche Lebensfreude von Kindern wie Ana Clara. Sie lächelt und erzählt viel bei meinem Besuch, zeigt stolz ihre Englisch-hausaufgaben, die sie auf dem Bett erledigt. Sie ist eine gute und fleißige Schülerin.
Mit ihrem unerschütterlichen kindlichen Optimismus zeigt mir dieses kleine Mädchen immer wieder aufs Neue, dass es trotz der für uns unvorstellbaren Lebensumstände möglich ist, nicht aufzugeben, sondern jeden Tag aufs Neue darauf zu hoffen, dass es irgendwann besser wird. Und genau daran können wir gemeinsam arbeiten! Werden auch Sie Paten des Projektes „Familienhilfe“. Regelmäßig erfahren Sie, welche Familien mit Ihrer Hilfe Hoffnung auf eine bessere Zukunft erhalten!
Download Osterbrief 2018
Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen und Ihren Familien ein Frohes Osterfest!
Sonja Kienzle
Vorsitzende des Vereins